Dürer!

von André Freud:

Am gestrigen Dienstag luden die Altstadtfreunde und der Verein fürs kulturhistorische Museum KHM zur Podiumsdiskussion in den Faber-Saal des Bildungszentrums.

Nicht jeder hat immer einen guten Tag. Und manchmal geht wirklich alles daneben. Besser zuhause geblieben zu sein – das hat sich vermutlich Dr. Anja Prölß-Kammerer (SPD) gewünscht. Tapfer verkündete sie dieses und jenes – aber alles war schneller als Fehlgriff enttarnt, als sie es wegstecken konnte.

Vorweg sei bemerkt: die Argumente für die Wiederherstellung der Dürer-Ausmalung im Rathaussaal sind zahlreich, wissenschaftlich solide, politisch jenseits der Parteigrenzen schlüssig. Die Argumente gegen die Ausmalung sind vor allem eins: meistens einfach nicht wahr. Der Verfasser dieser Zeilen ist ernstlich bestrebt, wirksame Gegenargumente zur Kenntnis zu nehmen. Natürlich deswegen, um sie nach Möglichkeit zu widerlegen. Aber ganz egal, was da so alles gegen die Dürer-Ausmalung ins Feld geführt wird: bohrt man nach, so stößt man ins Leere.

Diese Leere nicht kaschiert haben zu können, war wohl das frustrierende Erlebnis für Prölß-Kammerer. Aber immer hübsch der Reihe nach.

Prölß-Kammerer betonte zunächst, daß sie als stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD für die SPD-Fraktion spräche, wenn sie die Dürer-Ausmalung ablehne. Hoppla – da war doch etwas? Aufmerksame Leser dieses Blogs mögen sich daran erinnern, daß der SPD-Fraktionsvorsitzende Christian Vogel in einem Interview mit diesem Blog große Sympathie für den Vorschlag bekundete und, Machbarkeit vorausgesetzt, diesen befürwortete. Nun ist Vogel der Vorsitzende, Prölß-Kammerer eine seiner Stellvertreterinnen. Wer spricht hier nun wofür?

Ein weiteres Argument – angebliches Argument, muß es heißen – war die Kostenfrage. Natürlich kostet die Ausmalung Geld. Ein wenig sehr simpel aber rechnet, wer nur die Kosten sieht und dann mit dem Denken aufhört. Für Nürnberg ist der Tourismus ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor. Viele Arbeitsplätze hängen daran, viele Einnahmen für Stadt, Land, Bund ebenfalls. Es springt enorm zu kurz, wer über die noch gar nicht bekannten Kosten salbadert, ohne die Einnahmeeffekte zu berücksichtigen. Die Kosten für die Dürer-Ausmalung sind keine Ausgaben für Konsum, die dann einfach weg sind, sondern es handelt sich hierbei um eine Investition, die Einnahmen nach sich ziehen wird. Das weiß auch jeder, der sich nicht taub stellt. Außerdem ist dabei nicht bedacht, daß bei einem solchen Vorhaben viele Stifter und Spender bereitstehen. Die Altstadtfreunde haben bewiesen, daß sie fürs Peller-Haus alleine über 2 Millionen Euro aufgebracht haben. Auch der Verein KHM hat bereits seine finanzielle Unterstützung zugesagt. Aber immer noch ist all das zu kurz gedacht. Hier sorgte Sebastian Brehm, Fraktionsvorsitzender der CSU, für Klarheit: Zunächst einmal müsse man feststellen, ob man die Dürer-Ausmalung wolle. Wenn dem so ist, dann ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, wie man das Geld dafür zusammen bekommt. Ist die Idee gut und tragfähig, dann ist das Geld meist kein Problem. Das weiß natürlich auch jeder. Wer also mit einem solchen, in sich völlig schiefen Argument daher kommt, der zeigt: ihm (oder hier: ihr) kommt es nur aufs Madigmachen an. Daß dieses „Argument“ kein Argument ist, weiß auch Prölß-Kammerer. Sie will es nur nicht wahrhaben.

Den Vogel aber schoß Prölß-Kammerer ab – und es steht zu hoffen, daß Christian Vogel ihr hier mal ein paar freundliche Hinweise zuteil werden läßt -, als sie mit der These daher kam, daß es ihr Schwierigkeiten bereite, für die Rekonstruktion Photos zu verwenden, die von den Nationalsozialisten angefertigt wurden. Das schlägt dem Faß den Boden aus. Ein Photo, das den Zustand eines Baudenkmals dokumentiert, ist nicht braun. Denen, die diese Bilder verwenden wollen, auch nur andeutungsweise eine unkritische Nähe zu Ergebnissen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu unterstellen, ist eine bodenlose Unanständigkeit. In der Versammlung wurde keine auch nur annähernd suspekte Äußerung laut. Es bestand wohl im Gegenteil Konsens darüber, daß die Verantwortung für die Zerstörung des Rathaussaales in Deutschland lag. Der Versuch von Prölß-Kammerer war schäbig. Der Unmut im Raum wurde lautstark deutlich. Die Besucher, die anschließend noch Prölß-Kammerer applaudierten, waren an den Fingern einer Hand abzuzählen. Es war peinlich.

Respekt hingegen verdiente Elke Leo von den Grünen. Während ihr Eingangsstatement noch ein recht deutliches Nein zur Dürer-Ausmalung beinhaltete, war ihre Erklärung am Ende der Veranstaltung von zunehmender Nachdenklichkeit geprägt. Bei Leo hatte der Veranstaltungsbesucher den Eindruck, daß das, was sie dort hörte, einen Denkprozeß neu angestoßen hat. Das ist bei Politikern selten – Prölß-Kammerer legte ein Beispiel dafür ab, wie man ohne irgend etwas zur Kenntnis zu nehmen stur beim einmal verkündeten Unsinn bleiben kann – und deswegen ist es um so mehr eine positive Erwähnung wert.

Letztlich aber muß man der SPD-Fraktion danken. Dadurch, daß sie Prölß-Kammerer in die Diskussion entsandte, hat sie vielleicht mehr für die Wiederherstellung der Dürer-Ausmalung getan, als ihr selbst im Vorfelde bewußt war.

Vlnr: Dr. Anja Prölß-Kammerer (SPD), Sebastian Brehm (CSU), Elke Leo (Grüne), Günther Moosberger (Moderation), Dr. Werner Schultheiß (KHM), Karl-Heinz Enderle (Altstadtfreunde)

Bilder: Freud

 

2 Kommentare

  1. Nordnuernberger sagt:

    Frech finde ich auch, dass man das Kostenargument bringt, um es gegen soziale Projekte in der Stadt zu stellen. Dabei kann noch niemand wirklich sagen, um wieviele Euronen es eigentlich geht! Anderswo ist es uns Nürnbergern eindrucksvoll vorgemacht worden: Selbst aus einem Trümmerhaufen können dank Spendengeldern ganze Wunder emporwachsen. Diese Entscheidung sollte die Politik den Bürgern nicht nehmen. Man sollte das Projekt dann auch nicht größer und teurer machen als es ist. Es ist der logische letzte Schritt der Innenausgestaltung des an sonsten fertigen Saals. Generationen nach uns werden wieder diskutieren. Solange die Wand weiss bleibt.

  2. altstadtfan sagt:

    Eine gute Polemik ist fast ein Kunstwerk, insbesondere wenn sie wie hier haargenau den Kern des Problems trifft und pointiert glossiert.

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