Was ist ein Staat?

Die Flagge der Habsburger, der österreichischen Reichshälfte von k. und k. - gemeinfrei
Die Flagge der Habsburger, der österreichischen Reichshälfte von k. und k.
– gemeinfrei

#615 Ein Staat ist, so lautet eine gängige völkerrechtliche Handformel für den nicht allzu komplizierten Alltag, etwas, das dreierlei umfasst: Staatsvolk, Staatsgebiet, Staatsgewalt. Es ist wohl vernünftig, in einigen Fällen auch die Staatssprache hinzuzufügen.

Damit ist nicht gemeint, dass es außer der Amtssprache nicht auch regional andere Sprachen geben kann, wie etwa das Sorbische in Sachsen oder das Dänische in Holstein. Aber das Verbindende ist doch auch die gemeinsame Sprache.

Nun ist dieses Merkmal heikel. Zum einen reicht Sprache oft über das eigene Land hinaus. Die Schweizer und (mittlerweile) auch die Österreicher würden sich schön bedanken, wenn sie von uns vereinnahmt werden würden. Und andersherum gesehen kann ein Land auch durchaus mehr als eine Sprache haben – nun, Belgien in seiner Zerrissenheit ist ein schlechtes Beispiel, Kanada mit seiner drohenden Volksabstimmung für Loslösung des französisch sprechenden Teiles auch, aber nehmen wir wiederum die Schweiz – da funktioniert das mit den verschiedenen Sprachen recht gut. Also kommen wir zum Ergebnis: Sprache kann ein Merkmal eines Staates sein, muss es aber nicht.

Und an dieser Stelle wird klar, warum die Habsburger Flagge über diesem Artikel steht: Weil es nicht gut geht, wenn man nicht mehr (wirklich) miteinander reden kann; dann muss man auch das gemeinsame Haus verlassen.

Ist der Freud auf einmal für die irrenditistischen Bewegungen, für die Kleinstaaterei? Ganz gewiss nicht. Auch wenn ich nicht an so etwas wie Mega-Staaten glaube, so doch auch gewiss nicht an den Partikularismus. Es ist etwas ganz anderes, worum es geht.

Sprache kann verbinden und trennen. Wir sollten das Verbindende in den Vordergrund stellen. Wir müssen miteinander reden können, müssen im Gespräch bleiben. Das ist eine Voraussetzung für einen fairen Interessenausgleich. Und eben diese gemeinsame Sprache sehe ich in Gefahr.

Da ist zum einen die Sprache, die so einfältig ist, dass sie sich kein Gehör verschafft. Wortmeldungen, die mit „Ey, Alter…“ anfangen, haben von vornherein kein Gewicht. Täusche ich mich, wenn ich glaube, dass auch jene, die so sprechen, zunehmend kein richtiges Deutsch mehr können? Damit meine ich aber auch, dass beispielsweise im öffentlichen Raum zuweilen jemand als „Rechtsaußen“ bezeichnet wird – und zwar so, dass jeder es als verklausuliertes „Rechtsextremer“ versteht, wie neulich bei einem Nürnberger Stadtrat geschehen. Wer so spricht, verlässt die gemeinsame Sprachebene und zieht einen Graben auf, der nicht gut ist. Wir sollen – bei allen Schwierigkeiten im Alltag! – doch versuchen, miteinander zu reden anstatt Gräben zwischen uns zu ziehen.

Freilich, manchmal ist Abgrenzung notwendig. Etwa nach rechtsaussen oder nach linksaussen. Aber das ist hoffentlich in nicht allzu vielen Fällen nötig. Wichtig ist, dass wir miteinander reden. Nicht nur, um den anderen zu überzeugen. Auch, um ihm seine Meinung zu lassen, aber um mehr zu erfahren: wie er argumentiert, wie er denkt, und so weiter.

K. und k.-Österreich-Ungarn ist lange vor dem Ersten Weltkrieg auch daran gescheitert, dass die beiden Landesteile nicht mehr miteinander reden konnten. Die Gegenwart bei uns ist auch davon geprägt, dass man nicht mehr fröhlich miteinander streitet, sondern einander anschweigt- weil jeder nur noch seine eigene Sprache, aber nicht mehr die des anderen spricht. Und das ist, siehe k. und k., nicht gut.